Kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer erneut ohne Sachgrund befristen, wenn der Arbeitnehmer bereits zuvor bei demselben Arbeitgeber tätig war?
§ 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) regelt, dass eine Befristung ohne Sachgrund (maximal 2 Jahre) dann nicht möglich ist, wenn bereits „zuvor“ bei demselben Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer bestanden hat. Der Sinn dahinter ist es „Kettenbefristungen“ zu vermeiden.
1) „3-Jahres-Zeitraum“ bei der sachgrundlosen Befristung – alte Rechtslage BAG
Das Bundesarbeitsgericht hatte jahrelang das Wort „zuvor“ so ausgelegt, dass nach Ablauf von 3 Jahren eine erneute sachgrundlose Befristung möglich sein sollte. Dem hat das Bundesverfassungsgericht kürzlich in seiner Entscheidung vom 06.06.2018 einen Riegel vorgeschoben und geurteilt, dass das Hineinlesen einer 3-Jahres-Frist in das Wort „zuvor“ durch das Bundesarbeitsgericht willkürlich sei und damit unzulässig.
2) Was hat das Bundesverfassungsgericht zur sachgrundlosen Befristung entschieden?
Der Gesetzeszweck, so das Bundesverfassungsgericht, liege in der Verhinderung von Kettenbefristungen und müsse bei der Auslegung des Wortes „zuvor“ berücksichtigt werden. So sei das Wort zwar nicht als „jemals zuvor“ auszulegen, sondern es könne Ausnahmen geben, wann trotz Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber erneut ein sachgrundloses Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden könne.
Diese Ausnahmen seien, wenn die Vorbeschäftigung
a) „sehr lange zurückliege“, oder
b) die Vorbeschäftigung „ganz anders geartet“ sei, oder
c) die Vorbeschäftigung „von sehr kurzer Dauer“ gewesen sei.
3) Was ist die aktuelle Rechtslage zur sachgrundlosen Beschäftigung?
- Hinsichtlich Punkt b) (Vorbeschäftigung „ganz anders geartet“) hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung gleich selbst Beispiele aufgeführt, wann eine „anders geartete“ Vorbeschäftigung vorliegen könne:
etwa geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- oder Studienzeit,
Tätigkeiten von Werkstudenten oder
die lang zurückliegende Beschäftigung von Menschen, die sich später beruflich völlig neu orientieren.
Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 17.4.2019 – 7 AZR 323/17 geurteilt, dass die Vorbeschäftigung als „Produktionshelfer“ nicht „ganz anders geartet“ sei als die 15 Jahre später aufgenommene Tätigkeit als „Maschinenbediener“. Maßgeblich sei, dass andere Kenntnisse oder Fähigkeiten erforderlich sind, die sich „wesentlich“ (!) von denen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich waren. Dazu verlangt das BAG „erhebliche zusätzliche Fachkenntnisse oder Fähigkeiten“.
- In Bezug auf Punkt c) entschied das Bundesarbeitsgericht kürzlich (BAG vom 23.1.2019 – 7 AZR 13/17), dass eine Vorbeschäftigung von „sehr kurzer Dauer“ nicht mehr vorliege, wenn die Vorbeschäftigung fünfeinhalb Jahre zurückliege und insgesamt 6 Monate betragen habe. Auch ist ein Arbeitsverhältnis mit einer Dauer von 6 Wochen, das vor 9 Jahren durchgeführt worden war, für sich allein genommen noch kein Arbeitsverhältnis von „sehr kurzer Dauer“ (vgl. BAG vom 12.6.2019 – 7 AZR 429/17).
- Hinsichtlich der praxisrelevantesten Frage, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lange zurückliege“ (Punkt a)), hat v.a. das Bundesarbeitsgericht nun in mehreren Entscheidungen versucht einzugrenzen:
„Sehr lange zurück“ liege die Vorbeschäftigung noch nicht, wenn das erste Arbeitsverhältnis vor 8 Jahren bei demselben Arbeitgeber geendet habe (BAG vom 23.1.2019 – 7 AZR 733/16).
Eine 8 Jahre und 9 Monate alte Vorbeschäftigung liege ebenfalls noch nicht „sehr lange“ zurück (BAG vom 20.3.2019 – 7 AZR 409/16).
Auch eine Vorbeschäftigung vor 9 Jahren liegt ebenfalls noch nicht „sehr lange zurück“ (BAG vom 12.6.2019 – 7 AZR 429/17).
Ein Abstand von 15 Jahren zur Vorbeschäftigung genüge nicht, damit das Vorbeschäftigungsverbot alleine wegen des Zeitablaufs nicht mehr gelte. Andernfalls könnten die Arbeitsvertragsparteien nämlich im Laufe eines typischen (vierzigjährigen) Erwerbslebens drei Arbeitsverhältnisse sachgrundlos befristen: eines am Beginn, eines in der Mitte und eines am Ende des Erwerbslebens. Damit gerate der Regelfall, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis, in Gefahr. Zudem verweist der 7. Senat auf § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB, nach dem die längste gesetzliche Kündigungsfrist erst nach 20-jähriger Beschäftigungsdauer gelte (vgl. BAG vom 17.4.2019 – 7 AZR 323 / 17).
Eine 17 Jahre und 3 Monate zurückliegende Vorbeschäftigung ist jedenfalls dann als „sehr lange her“ anzusehen, wenn das Vorbeschäftigungsverhältnis damals auf Betreiben der Arbeitnehmerin vorzeitig aufgelöst wurde. In einem solchen Fall ist ein Ausnutzen einer strukturellen Unterlegenheit der Arbeitnehmerin durch die Arbeitgeberin nicht zu ersehen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.09.2020 – 2 Sa 747/20)
Bestehen hingegen zwischen Vorbeschäftigung und erneuter Einstellung 22 Jahre, sei dies als „sehr lange zurück“ auszulegen und damit eine erneute sachgrundlose Befristung möglich (BAG vom 21.8.2019 – 7 AZR 452/17).
Derzeit liegt der „Korridor der Rechtsunsicherheit“ also bei Vorbeschäftigungen, die zwischen 15 Jahren und 17 Jahren und drei Monaten „zuvor“ zurückliegen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie das Bundesarbeitsgericht diesen Korridor in den nächsten Monaten und Jahren weiter konkretisiert.
4) So gehen Sie richtig vor!
Arbeitgeber sollten eines bei Einstellungen daher zwingend beachten: Lassen Sie sich vom Bewerber – am besten schriftlich – eine Auskunft geben, ob und wenn ja, wann er schon mal zuvor bei Ihnen beschäftigt war. Etwa durch Namensänderungen (z. B. Heirat) können Sie dies vorab nicht immer selbst in Ihren eigenen Unterlagen prüfen. Macht der Bewerber falsche Angaben, können Sie das Arbeitsverhältnis später wegen arglistiger Täuschung anfechten.
Bei Fragen hierzu, kontaktieren Sie uns einfach online!
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