Wenn Mütter und Väter in Mutterschutz bzw. Elternzeit gehen, stellen sich eine Vielzahl an arbeitsrechtlichen Fragen. Sowohl für den einzelnen Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber. Ein wichtiger Punkt für beide Seiten ist dabei der Urlaubsanspruch während Mutterschutz und Elternzeit. Hier herrscht viel Unwissenheit und insbesondere für Arbeitgeber kann dies sehr teuer werden. Nachfolgend 12 Tipps samt Muster!
Rechtsanwalt Dominic Hauenstein, Tel.: 0176 / 64 25 74 73 - info@arbeitsrechtonline24.de
1) Habe ich während Mutterschutz Anspruch auf Urlaub?
Ja, auch während des Mutterschutzes entstehen Urlaubsansprüche. Dies gilt sowohl für die Zeiten der Schutzfristen 6 Wochen vor der Geburt als auch für die 8 Wochen nach der Geburt. Ferner entstehen auch Urlaubsansprüche während eines ärztlichen Beschäftigungsverbots. Denn nach § 24 Satz 1 MuSchG gelten die Ausfallzeiten während des Mutterschutzes als Beschäftigungszeiten.
2) Entsteht während Mutterschutz nur der gesetzliche Urlaubsanspruch?
Nein. Auch der über den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (24 Tage in einer 6-Tage-Woche oder 20 Tage in einer 5-Tage-Woche) hinausgehende Urlaub entsteht während des Mutterschutzes. Oftmals haben nämlich Arbeitnehmer mehr als 20 Tage Urlaub pro Jahr bei einer 5-Tage-Woche, nicht selten sogar 30 Tage. Diese 10 Tage Mehrurlaub sind in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen geregelt. Auch für diesen Mehrurlaub gilt, dass er während des Mutterschutzes entsteht. Andernfalls würde eine (werdende) Mutter durch ihren Mutterschutz benachteiligt (EuGH 18.3.2004, NZA 2004, 535).
3) Kann ich einen Urlaubsanspruch aus der Zeit vor dem Mutterschutz noch nach dem Mutterschutz bzw. der Elternzeit nehmen?
Ja. Hat eine Frau ihren Urlaub vor Beginn eines Beschäftigungsverbots / der Schutzfristen nicht oder nicht vollständig erhalten, kann sie – nach dem Ende des Mutterschutzes bzw. der sich anschließenden Elternzeit – den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen.
Beispiel: Mutter M geht zum 1.12.2019 in Mutterschutz. Sie hat für 2019 noch 5 Resturlaubsansprüche. Nach ihrer Elternzeit kehrt sie zum 1.1.2021 zurück.
Ergebnis: Im Jahr 2021 oder 2022 kann Mutter M ihren Resturlaubsanspruch von 5 Tagen aus dem Jahr 2019 nehmen. Zusätzlich erhält sie ihren Urlaubsanspruch für 2021 bzw. 2022. Ob ihr auch Urlaubsansprüche für das Jahr 2020 während ihrer Elternzeit zustehen, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber ihren Urlaub während der Elternzeit ausdrücklich gekürzt hat (siehe unten unter Nr. 7 ff).
4) Kann der Urlaub aus dem Mutterschutz vom Arbeitgeber gekürzt werden?
Nein! Anders als beim Urlaubsanspruch während der Elternzeit, besteht nach dem Mutterschutzgesetz keine Kürzungsmöglichkeit für den Arbeitgeber für Urlaubsansprüche während des Mutterschutzes. Eine Regelung, die dies in einem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag vorsieht, ist unwirksam. Andernfalls würde eine (werdende) Mutter durch ihren Mutterschutz benachteiligt werden (EuGH 18.3.2004, NZA 2004, 535).
5) Entsteht während Elternzeit Urlaub?
Ja. Auch während der Elternzeit entsteht grundsätzlich ganz normal Urlaub. Dies gilt jedenfalls für den gesetzlichen Mindesturlaub in Höhe von 20 Tagen in einer 5-Tage-Woche (24 Tage in einer 6-Tage-Woche).
6) Entsteht während der Elternzeit auch der vertragliche Zusatzurlaub?
Oftmals haben Arbeitnehmer nicht nur den gesetzlichen Mindesturlaub (20 Tage in einer 5-Tage-Woche), sondern auch zusätzlichen Urlaub (oftmals insgesamt 30 Tage) aufgrund Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag. Ob dieser vertragliche Zusatzurlaub auch während der Elternzeit entsteht, hängt von der jeweiligen Regelung im Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ab. Sieht diese explizit eine Regelung zur Kürzung in Zeiten der Elternzeit oder ohne Anspruch auf Entgelt vor, ist eine solche Regelung zulässig. Nur dann entsteht während der Elternzeit kein Anspruch auf den vertraglichen Zusatzurlaub. D.h. im Normalfall, wenn keine besondere Kürzungsregelung im Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag existiert, entsteht während der Elternzeit auch der vertragliche Zusatzurlaub.
Tipp für Arbeitgeber: dies ist ein erster Ansatz zu verhindern, dass Arbeitnehmern auch während der Elternzeit Anspruch auf den vertraglichen Zusatzurlaub haben. Kontaktieren Sie uns für die arbeitsrechtliche Gestaltung.
7) Kann der Urlaub für die Zeit der Elternzeit durch den Arbeitgeber gekürzt werden?
Ja! § 17 BEEG (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit den Urlaub eines Arbeitnehmers während der Elternzeit zu kürzen. Dies gilt nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den vertraglichen Zusatzurlaub (wenn dieser überhaupt entsteht während Elternzeit, vgl. Punkt 6)). § 17 BEEG gibt dem Arbeitgeber aber nur die Möglichkeit, d.h. die Kürzung tritt nicht automatisch ein, sondern muss ausdrücklich gegenüber dem Arbeitnehmer erklärt werden.
Tipp für Arbeitgeber: machen Sie von dieser Kürzungsmöglichkeit Gebrauch und nehmen Sie eine entsprechende Formulierung in Ihre Standardschreiben zur Genehmigung der Elternzeit auf. Andernfalls riskieren Sie, dass Arbeitnehmer infolge mehrjähriger Mutterschutzzeiten / Elternzeiten noch eine große Menge an Urlaubsansprüchen haben. Berücksichtigen Sie auch unser Musterkürzungsschreiben unter Punkt 11).
Beispiel: Mutter M geht zum 1.1.2020 in Mutterschutz und anschließend – wegen der Geburt eines weiteren Kindes – bis 31.12.2025 in Elternzeit. Mutter M stehen vertraglich 30 Tage Urlaub pro Jahr zu. Der Arbeitgeber vergisst eine Kürzung des Urlaubsanspruches während der Elternzeit gegenüber der Mutter M zu erklären.
Ergebnis: der Mutter M stehen für 5 Jahre (2020 bis 2025) jeweils 30 Tage Urlaub zu, obwohl sie in dieser Zeit infolge ihrer Elternzeit nicht gearbeitet hat. Dies sind insgesamt 150 Urlaubstage, die sie in 2026 bzw. 2027 zusätzlich nehmen kann. Der Arbeitgeber kann jedoch den Urlaub auch noch nach dem Ende der Elternzeit der Mutter M kürzen (vgl. Nr. 8)). Wenn das Arbeitsverhältnis jedoch vor einer Kürzungserklärung des Arbeitgebers endet (weil z.B. die Mutter M gekündigt hat), kann der Urlaub nicht mehr rückwirkend gekürzt werden und der Mutter M sind die 150 Urlaubstage in Geld auszubezahlen (vgl. Nr. 9)).
8) Kann der Arbeitgeber auch nach dem Ende der Elternzeit rückwirkend den Urlaub aus der Elternzeit kürzen?
Die Kürzungserklärung des Arbeitgebers für den Urlaubsanspruch in der Elternzeit kann vor Beginn der Elternzeit erklärt werden, während der Elternzeit oder sogar noch nach dem Ende der Elternzeit. Dennoch ist es ratsam, dass Arbeitgeber am besten vor Beginn der Elternzeit die Kürzung des Urlaubs aussprechen. Jedenfalls kann eine Kürzung des Urlaubs nur so lange erklärt werden, wie das Arbeitsverhältnis besteht. Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist eine rückwirkende Kürzung des Urlaubs aus der Elternzeit ausgeschlossen.
9) Kann der Urlaub aus der Elternzeit auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekürzt werden?
Ein klares Nein! Denn mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandeln sich die noch nicht genommenen Urlaubstage in einen Abgeltungsanspruch in Geld um. Dieser Geldanspruch kann jedoch nicht rückwirkend mehr durch den Arbeitgeber gekürzt werden, da § 17 BEEG nur die (rückwirkende) Kürzung von Urlaubsansprüchen ermöglicht. Für den Arbeitgeber kann dies sehr teuer werden. Und umgekehrt für den Arbeitnehmer, der nach Beendigung der Elternzeit ohnehin das Unternehmen verlassen will, finanziell sehr attraktiv. Oftmals müssen Arbeitgeber dann 10.000 € und mehr Urlaubsabgeltung zahlen.
Beispiel 1: Mutter M verdient 4000 € brutto und hat 30 Tage Anspruch auf Urlaub pro Jahr. Sie geht für insgesamt 6 Jahre in Mutterschutz und Elternzeit, da sie jeweils im Abstand von ca. 3 Jahren zwei Kinder bekommt. Nach Beendigung der Elternzeit für das zweite Kind, kündigt sie, da sie sich beruflich neu orientieren möchte. Der Arbeitgeber hat keine Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit erklärt.
Ergebnis: Mit Ablauf der Kündigungsfrist ist das Arbeitsverhältnis der Mutter M beendet. Der Urlaubsanspruch von 180 Tagen (6 Jahre mal 30 Tage pro Jahr) wandelt sich in einen Abgeltungsanspruch in Geld um. Dieser Abgeltungsanspruch in Geld kann von dem Arbeitgeber nicht mehr rückwirkend gekürzt werden. Da ein Urlaubstag vorliegend 184 € brutto Wert (4000 € x 3 (=Quartalsverdienst) geteilt durch 65 Arbeitstage) ist, ist diese mit den 180 Urlaubstagen zu multiplizieren. Das bedeutet, der Mutter M stehen bei Ausscheiden 33.230 € brutto Urlaubsabgeltung zu.
Beispiel 2: Mutter M verdient 2500 € brutto und hat 25 Tage Anspruch auf Urlaub pro Jahr. Sie geht für 3 Jahre in Mutterschutz und Elternzeit. Nach Ablauf der Elternzeit geht der Arbeitgeber auf die Mutter M zu und schließt mir ihr einen Aufhebungsvertrag, da der Arbeitgeber keine Verwendung mehr für die Mutter M hat. Der Arbeitgeber zahlt der Mutter M eine Abfindung von 15.000 €, damit sie ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet. Der Arbeitgeber hat keine Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit erklärt und auch im Aufhebungsvertrag fehlt eine entsprechende Regelung.
Ergebnis: Der Arbeitgeber muss – zusätzlich zu den 15.000 € Abfindung – auch noch Urlaubsabgeltung für die letzten 3 Jahre der Elternzeit zahlen. Das bedeutet bei 75 offenen Urlaubstagen und einem Urlaubsentgelt pro Tag von 115 € (2500 € x 3 (Quartalsverdienst) geteilt durch 65 Arbeitstage = 115 € Urlaubsentgelt pro Tag) insgesamt zusätzlich 8653 € brutto Urlaubsabgeltung. D.h. der Arbeitgeber zahlt für die Aufgabe des Arbeitsplatzes durch die Mutter M, statt wie geplant nicht nur 15.000 €, sondern insgesamt 23.653 € brutto. Hätte der Arbeitgeber dies gewusst, hätte er entweder noch im Aufhebungsvertrag den Urlaubsanspruch rückwirkend gekürzt, oder die angebotene Abfindung um die entsprechende Summe der Urlaubsabgeltung gekürzt (also nur ca. 7000 € Abfindung, statt 15.000 € brutto).
Tipp für Arbeitgeber: Wenn Sie keine entsprechende Kürzungsformulierungen in Ihre Standard-Genehmigungsschreiben der Elternzeit aufnehmen, kann dies sehr teuer werden für Arbeitgeber. Im bestehenden Arbeitsverhältnis stehen dann rückkehrenden Müttern oder Vätern eine enorme Anzahl an Resturlaubstagen zu. Oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen Sie eine sehr hohe Urlaubsabgeltung zahlen. Ihre „Alarmglocken“ sollten daher schrillen, wenn eine Mutter / ein Vater unmittelbar nach dem Ende der Elternzeit das Arbeitsverhältnis beenden wollen. Kommen Sie für eine arbeitsrechtliche Beratung auf uns zu. Das kann Sie bares Geld sparen!
Tipp für Arbeitnehmer: Wenn Sie ohnehin beabsichtigen nach dem Ende Ihrer Elternzeit das Arbeitsverhältnis zu beenden, um sich beruflich neu zu orientieren, kann es sich finanziell sehr lohnen zu prüfen, ob der Arbeitgeber gegenüber Ihnen die Kürzung der Urlaubsansprüche aus der Elternzeit erklärt hat. Fehlt eine entsprechende Erklärung, können Sie nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Ablauf der Kündigungsfrist) eine sehr „hübsche“ Summe an Urlaubsabgeltung in Geld gegenüber Ihrem Arbeitgeber geltend machen. Oftmals können Sie so problemlos die Zeit für die Suche nach einer neuen Tätigkeit finanziell absichern. Achten Sie jedoch auch auf etwaige Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruches. Kommen Sie bezüglich dieses Themas auf uns zu. Wir helfen Ihnen gerne weiter.
10) Entsteht Urlaub während der Teilzeitarbeit in Elternzeit?
Ja. Wenn der Arbeitnehmer während seiner beantragten Elternzeit in Teilzeit arbeitet („Elternteilzeit“, max. 30 Stunden pro Woche), entstehen Urlaubsansprüche. Dieser reduziert sich entsprechend, wenn der Arbeitnehmer in Elternteilzeit weniger Tage pro Woche arbeitet als zuvor ohne Elternzeit (z.B. nur noch 4-Tage-Woche statt 5-Tage-Woche). Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs in Elternteilzeit ist durch den Arbeitgeber hingegen nicht möglich.
11) Muster für die Kürzung von Urlaub in der Elternzeit
Für Arbeitgeber empfiehlt sich nachfolgendes Muster zur Erklärung der Kürzung von Urlaubsansprüchen:
„Sehr geehrte Frau / Herr …,
mit Schreiben vom ... haben Sie Elternzeit geltend gemacht. Wir gewähren Ihnen diese vom ... bis zum ...
Wir erklären hiermit, dass wir während der Elternzeit den Anspruch auf Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit pro Kalenderjahr gemäß den gesetzlichen Bestimmungen um ein Zwölftel kürzen. Dies gilt auch für den Urlaubsanspruch, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht. Unberührt bleiben Urlaubsansprüche die aufgrund einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit erworben werden“.
12) Weitere Muster für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Wenn Sie als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer weitere Musterschreiben benötigen, kontaktieren Sie uns! Insbesondere folgende Muster können wir Ihnen empfehlen: Muster zum Antrag auf Elternzeit für Arbeitnehmer, Muster zur Gewährung der Elternzeit für Arbeitgeber, Muster zur Beendigung der Elternzeit für Arbeitnehmer, Muster zur Verlängerung der Elternzeit für Arbeitnehmer, Informationsschreiben des Arbeitgebers für werdende Eltern.
Vorteile unserer Beauftragung:
Kostenlose Ersteinschätzung.
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