Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hat mit Urteil vom 28.05.2019 - 15 Sa 116/19 entschieden, dass ein „Berufseinsteiger“ definitorisch kein „Berufsanfänger“ ist.
Ein Berufseinsteiger ist gerade auch eine Person, die schon beruflich tätig war und sich nun für eine andere berufliche Richtung entscheidet.
Berufsanfänger ist jemand, der mit dem Berufsleben startet, also keinerlei Berufserfahrungen mit sich bringt (so auch: LAG Nürnberg 27. November 2015 - 3 Sa 99/15 - Rz. 77).
Deshalb sieht das LAG Hessen in seinem o.g. Urteil in einer Stellenbeschreibung mit dem Wortlaut „Berufseinsteiger (m/w) im Recruiting“ keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte sich ein im Jahr 1961 geborener Rechtsanwalt auf folgende Stellenausschreibung beworben:
„Berufseinsteiger (m/w) im Recruiting in C
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Das LAG Hessen vergleicht die Wortwahl in dieser Stellenausschreibung mit einer Reihe von Urteilen zu vergleichbaren Stellenausschreibungen und kommt hierbei zu der Entscheidung, dass die o.g. Stellenausschreibung nicht mittelbar wegen des Alters diskriminiert:
Nach einer Entscheidung des BAG vom 19.5.2016 – 8 AZR 470/14 liegt eine Diskriminierung wegen des Alters vor bei einer Stellenausschreibung mit den Anforderungen „mit 0-2 Jahren Berufserfahrung“ und der Perspektive „in einem jungen und dynamischen Team“. Hier liege die Diskriminierung wegen des Alters erst durch die Kombination beider Anforderungen vor und unterscheide sich von der o.g. Stellenausschreibung, so das LAG Hessen.
Auch in einer Stellenausschreibung mit den Anforderungen „Junior Consultant“ und „mit einem jungen dynamischen Team“ liegt nach Auffassung des BAG vom 11.8.2016 – 8 AZR 406/14 eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Nach dem LAG Hessen unterscheide sich diese Klausel zur streitgegenständlichen, da gerade nicht die Begriffe „Junior“ und „junges dynamisches Team“ verwendet wurden.
Nach einer weiteren Entscheidung des BAG vom 11.8.2016 – 8 AZR 809/14 liegt eine Diskriminierung wegen des Alters vor bei Verwendung einer Stellenausschreibung mit den Anforderungen „Berufseinsteiger bzw. Kollege mit maximal fünf Jahren Berufserfahrung“. Denn Bewerber/innen mit einer längeren Berufserfahrung weisen gegenüber Berufsanfänger/innen und gegenüber Bewerber/innen mit bis zu fünf Jahren Berufserfahrung typischerweise ein höheres Lebensalter auf (vgl. nur BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 33, BAGE 131, 342). Das LAG Hessen kommt im Vergleich zu dieser Stellenausschreibung zu dem Schluss, dass die alleinige Wortwahl „Berufseinsteiger“ noch keine Diskriminierung wegen des Alters darstelle, sondern diese erst durch die Verknüpfung „Kollege mit maximal fünft Jahren Berufserfahrung“ entstehe.
Auch liegt nach Auffassung des BAG vom 24.1.2013 – 8 AZR 429/11 eine Diskriminierung wegen des Alters in der Wortwahl „Young Professionell“ und „besonders qualifizierte Berufseinsteiger mit regelmäßig guten Berufschancen“. Eine solche Kombination der Merkmale „Berufseinsteiger“ und „Young Professionells“ liege gerade nicht vor, so das LAG Hessen.
Und schließlich helfe auch nicht der Vergleich zu der Stellenausschreibung mit den Anforderungen „… Unser Traineeprogramm richtet sich speziell an Berufseinsteiger, d.h. Ihr Abschluss sollte maximal 1 Jahr zurückliegen oder in den nächsten Monaten angestrebt werden. …“, vgl. BAG vom 14.11.2013 – 8 AZR 997/12. Denn so das LAG Hessen, liege in der streitgegenständlichen Stellenausschreibung gerade keine Verknüpfung des Merkmals „Berufseinsteiger“ mit „einem maximal 1 Jahr zurückliegenden Abschluss“ vor.
Das LAG Hessen hat in seinem Urteil vom 28.05.2019 - 15 Sa 116/19 die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Es ist daher davon auszugehen, dass sich das BAG mit dieser Stellenausschreibung nicht höchstrichterlich befassen wird.
Die Entscheidung des LAG Hessen zeigt im Vergleich zu den vielen genannten Entscheidungen des BAG einmal mehr, dass bei Stellenausschreibungen höchste Vorsicht geboten ist und jeder Anschein einer möglichen Diskriminierung wegen des Alters vermieden werden sollte.
Wenn Sie Fragen zur Erstellung einer Stellenbeschreibung haben oder sich als Bewerber diskriminiert fühlen, dann kontaktieren Sie uns online!
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