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Digitalisierung beim Einwurf-Einschreiben: Kein Anscheinsbeweis mehr für den Zugang – Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen

  • Autorenbild: Rechtsanwalt Dominic Hauenstein
    Rechtsanwalt Dominic Hauenstein
  • 7. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit

Fachanwalt für Arbeitsrecht kommentiert das LAG Hamburg, Urteil vom 14.7.2025 – 4 SLa 26/24


Die Digitalisierung macht auch vor der Deutschen Post nicht halt: Wo früher noch handschriftliche Auslieferungsbelege und das berühmte „Peel-Off-Label“ für den Zugangsnachweis sorgten, übernimmt heute der Scanner. Doch was bedeutet das für den Zugangsnachweis wichtiger arbeitsrechtlic

her Schreiben – etwa einer Kündigung oder einer Einladung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (beM)? Das LAG Hamburg hat mit Urteil vom 14.7.2025 (4 SLa 26/24) eine klare Antwort gegeben: Das digitalisierte Einwurf-Einschreiben erbringt keinen Anscheinsbeweis mehr für den Zugang beim Empfänger. Für Arbeitgeber ist das ein Warnsignal!


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Rechtsanwalt Dominic Hauenstein - Tel. 0176 64 25 74 73 - hauenstein@hauenstein-arbeitsrecht.de 


Der Fall: beM-Einladung und Kündigung


Im entschiedenen Fall hatte ein Arbeitgeber versucht, eine beM-Einladung per Einwurf-Einschreiben zuzustellen. Der Arbeitnehmer, der in den letzten Jahren häufig und längerfristig arbeitsunfähig war, sollte vor einer krankheitsbedingten Kündigung erneut zum beM eingeladen werden. Die Einladung wurde jedoch bestritten – und das Arbeitsgericht wie auch das LAG Hamburg sahen keinen ausreichenden Nachweis für deren Zugang. Die Folge: Die Kündigung war unverhältnismäßig und damit unwirksam, weil das mildere Mittel „beM“ nicht ordnungsgemäß angeboten wurde.


Warum reicht das Einwurf-Einschreiben nicht mehr?


Früher konnte der Arbeitgeber mit dem Auslieferungsbeleg, auf dem der Postbote mit Unterschrift und Datum den Einwurf in den Briefkasten bestätigte, einen Anscheinsbeweis für den Zugang führen. Das Verfahren war nachvollziehbar und dokumentierte den typischen Geschehensablauf, der nach der Lebenserfahrung für einen tatsächlichen Zugang spricht 


Heute läuft alles digital: Der Postbote scannt die Sendung, unterschreibt digital, das Datum wird automatisch gespeichert. Doch der eigentliche Einwurf in den Briefkasten erfolgt erst danach – und ist nicht mehr individuell dokumentiert. Das LAG Hamburg sieht darin keinen „typischen Geschehensablauf“ mehr, der einen Anscheinsbeweis rechtfertigen könnte. Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers – etwa durch Ablenkung des Zustellers, mehrere Briefkästen oder fehlende Kontrolle – ist zu hoch. Auch der digitale Zustellbeleg gibt keine Auskunft über Adresse, Uhrzeit oder die genaue Zustellvariante.


Aktuelle Rechtsprechung und Meinungsstand


Das LAG Hamburg steht mit dieser Auffassung nicht allein. Das BAG hat in einem aktuellen Urteil (BeckRS 2025, 4087) entschieden, dass der Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens zusammen mit dem Sendungsstatus keinen Anscheinsbeweis für den Zugang erbringt, wenn der Auslieferungsbeleg fehlt.


Die Rechtsprechung ist sich einig: Nur wenn das klassische Verfahren mit handschriftlichem Auslieferungsbeleg nachgewiesen werden kann, kommt ein Anscheinsbeweis in Betracht. Die Literatur und viele Landesarbeitsgerichte sehen das ebenso, während einige Gerichte weiterhin einen Anscheinsbeweis annehmen, sofern ein vollständiger Auslieferungsbeleg vorliegt.


Praxistipp: Zustellung per Boten bleibt Goldstandard


Für Arbeitgeber bedeutet das: Wer auf Nummer sicher gehen will – etwa bei Kündigungen, Abmahnungen oder beM-Einladungen –, sollte auf die Zustellung durch einen Boten setzen, der im Streitfall als Zeuge zur Verfügung steht. 

 

Die Zustellung per Einwurf-Einschreiben ist durch die Digitalisierung unsicherer geworden und bietet keinen verlässlichen Zugangsnachweis mehr. Die Kosten für einen Boten sind im Zweifel geringer als die Risiken einer unwirksamen Kündigung.


Fazit


Die Digitalisierung vereinfacht vieles, schafft aber im Arbeitsrecht neue Unsicherheiten. Das digitalisierte Einwurf-Einschreiben ist kein sicherer Zugangsnachweis mehr. Arbeitgeber sollten ihre Zustellungswege überdenken und auf bewährte Methoden wie die Boten- oder Gerichtsvollzieherzustellung zurückgreifen, um arbeitsrechtliche Risiken zu vermeiden.


 

FAQ – Häufige Fragen


1. Was ist ein Einwurf-Einschreiben?

Ein Brief, der von der Post direkt in den Briefkasten gelegt wird. Der Zusteller dokumentiert den Einwurf.


2. Was ist der Unterschied zwischen „altem“ und „digitalem“ Einwurf-Einschreiben?

Früher gab es einen handschriftlichen Beleg, heute läuft alles digital über einen Scanner. Das ist weniger sicher als Beweis vor Gericht.


3. Was passiert, wenn ich einen wichtigen Brief nicht bekommen habe?

Kann der Absender nicht sicher beweisen, dass der Brief angekommen ist, gilt er als nicht zugegangen. Das kann zum Beispiel eine Kündigung unwirksam machen.


4. Was ist der sicherste Weg, einen wichtigen Brief zuzustellen?

Am sichersten ist die Zustellung durch einen Boten oder Gerichtsvollzieher. Ein Zeuge kann vor Gericht bestätigen, dass der Brief wirklich eingeworfen wurde.

 
 
 
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